FROM BELOW 

Zentralperspektivisch geschult ringt das Auge um Orientierung. In derWerkserie FROM BELOW von Michael H. Rohde ist ein Fluchtpunkt zwarklar zu fokussieren, dient aber anstelle der wohlfeilen Aufteilung derBildfläche eher seiner Destabilisierung. Rohdes utopischen Raumansichtenfordern unsere Wahrnehmung auf kühne Weise heraus. Die nur in einermathematisch-logischen Perspektividee verortbare Sicht des Raumes vonunterhalb des Bodens erscheint verständlich, zieht sich aber sogleichwieder in eine eigendynamische und von jeglichem ordnendenOrientierungssystem befreite Ästhetik zurück. Die eigentlich unmöglicheTotalansicht des Raumes von unten und die fehlende gewohnteBildordnung eines Motivs in verschiedene Bildgründe lassen Möbel undandere Gegenstände schwerelos erscheinen, so als schwebten undstürzten sie zugleich durch den Raum. Gestützt werden sie nur durch denaufmerksamen Blick des Betrachters, der sich gegen das suggestiv auf ihneinstürzende Rauminnere zu wehren versucht.Rohde verleiht dem Raum mit seiner ungewöhnlichen Komposition somiteine von Verzerrung, stetiger Desorientierung und Loslösung geprägteMagie. Denn der Blick versucht unentwegt, eine einheitliche Sicht zukonstruieren und verstärkt letztlich dadurch das Eigenleben derBildgegenstände, ganz im Widersinn zur Hirnfunktion, die im Sinne einerGenerierens einer festen Raumordnung stets nach Eindeutigkeit strebt undversucht, jeden Raum als begehbar zu deklarieren. Die Werke Rohdeserfinden aber eine Sicht eines Raumes, die denselben nur als reinästhetisches Erlebnis proklamiert. Ameisengleich versucht dasBewusstsein, den Raum in Gedanken zu beschreiten. Der Künstler entziehtuns die Fläche, auf der selbst das kriechende Insekt ins Bodenlose zuverschwinden droht. Die Schwerkraft scheint in Rohdes Fotografienumprogrammiert, denn der Untergrund, der ansonsten die Wohnung trägt,ist ersetzt durch die unentwegte Orientierungssuche, durch die dasBewusstsein den Raum im Lot zu halten versucht.Der Betrachtung wird gewissermaßen der Grund entzogen. Dieverstärkten Raumfluchten führen die Bildordnung eines in die Ferneeingebetteten Motivs ad adsurdum, weil ja der Betrachter selbst inskompositorische Zentrum gerückt ist, ohne überhaupt anwesend zu sein.Die Konstanz der Dinge im alltäglichen Raum gerät durch dieseSogwirkung zu einer bedrohlichen Instanz. Umso mehr, wenn manbedenkt, dass die Beobachtung von unten wie ein allgegenwärtigerObserver zu verstehen ist, der aufgrund seiner rein ideellen Anwesenheitletztlich auf eine omnipräsente, latente Selbstbeobachtung verweist.

Uwe Goldenstein BSA (Berlin Selected Artists) 2010



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